Monday, October 02, 2006

Freiheit oder Demokratie ?

Freiheit oder Demokratie !

Joseph Stiglitz, ehemaliger Chefökonom des International Monetary Funds (IMF) und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften hat ein neues Buch geschrieben, in dem er eine ernüchternde Bilanz der Zunahme der Verflechtung der Weltwirtschaft zieht. Die Arbeitslosigkeit hat nach einer Untersuchung der internationalen Arbeitsorganisation weltweit zugenommen, die Unterschiede in den einzelnen Ländern zwischen hohen und niedrigen Einkommen auch, kurz: die sogenannte Globalisierung habe zwar zur Steigerung des Bruttosozialproduktes geführt, nicht aber zu einer Verbesserung der Lebensumstände der meisten Menschen insbesondere in den „Entwicklungsländern“. Als wesentlichen Grund führt er ein „Demokratiedefizit“ etwa in der Weltbank oder dem IMF an. Es führt seiner Ansicht nach dazu, dass die Industriestaaten die „Entwicklungsländer“ zwingen, eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die zur Rückzahlung der durch die Industriestaaten gewährten Kredite führt und nicht eine nachhaltige Entwicklung in diesen Ländern unterstützt.

Der Mann irrt gewaltig. Hätte er Recht, so wäre der Verzicht auf diese Rückzahlung der G8 Staaten auf dem Kölner Gipfel 1998 schon die Initialzündung für den Aufbruch ins Paradies gewesen.

Betrachten wir zunächst einmal die Qualität der Entscheidungsprozesse in internationalen Organisationen, die demokratisch organisiert sind. Die Vereinten Nationen etwa müssten nach seiner Hypothese weise Entscheidungen am Fließband treffen und auch eine Reform des noch undemokratischen Weltsicherheitsrates, der die Machtverhältnisse nach dem zweiten Weltkrieg und das Gleichgewicht des Schreckens zwischen den sozialistischen Diktaturen und den freiheitlich verfassten Demokratien des Westens abbildet, hätte aus Vernunftgründen innerhalb der UN eine Mehrheit finden.

Und auch die World Trade Organization (WTO), die sich in der DOHA – Runde fortgesetzt um eine Liberalisierung der Weltwirtschaft bemüht, müsste qualitativ bessere Ergebnisse für die Mehrheit der Staaten – die „Entwicklungsländer“ – erbringen, nämlich eine Reduktion der Zölle und Handelsbarrieren für deren Produkte. Das Gegenteil scheint der Fall, weil die USA und die EU sich schlicht weigern, ihre Protektion insbesondere der Landwirtschaft aufzugeben, weil sie in ihren eigenen Ländern Unruhen aber vor allen Dingen massive Stimmverluste bei demokratischen Wahlen befürchten müssten.

Demokratie auf zwischenstaatlicher Ebene übersieht auch den Unterschied zwischen Menschen- und Völkerrecht. Zwar sind die Regierungen etwa des Libanon oder der palästinensischen Autonomiebehörde demokratisch zustande gekommen, weil Terrororganisationen wie Hamas oder Hisbollah grosse Stimmenanteile erhielten. Auch die Wahlen im Iran sind demokratisch zustande gekommen, nachdem ein weiser religiös motivierter Ältestenrat unliebsame Kandidaten vor dem Urnengang aussortiert hatte. Der Russische Präsident ist demokratisch gewählt, aber verleiht ihm das das Recht ein Nachbarland wie Georgien in Geiselhaft zu nehmen oder einen ganzen Konzern wie Yukos auseinander zunehmen und dessen Eigner in Sibirien zu internieren, weil dieser möglicherweise gegen ihn antreten will ? Und wie sieht es mit Ländern wie Zimbabwe, Saudi-Arabien, Lybien oder Weissrussland aus, wo von Demokratie nicht die Rede ist und die herrschende Schicht die Regierung stellt, die dann in den Organisationen der Weltwirtschaft wie bisher die Interessen ihrer Minderheit und nicht des eigenen Landes vertreten kann. Wieviel demokratische Staaten gibt es in Afrika ? Aber vor allen Dingen, wie viel freiheitliche Rechtsstaaten, in denen das Eigentum des kleinen Mannes so geschützt ist, dass er bei der Bank eine Hypothek auf seine Hütte aufnehmen kann, um einen neuen Pflug oder eine Nähmaschine für seine heimarbeitende Frau zu kaufen ?

Auch Stiglitz Analyse vom Versagen der Globalisierung trifft nicht zu. Die Einkommensunterschiede in einem Land sagen nichts über das Wachstum von Einkommen aus, sondern nur über die unterschiedliche Geschwindigkeit, mit der diese Einkommen zunehmen. Auch wenn das Einkommen des Fabrikbesitzers doppelt so schnell wächst, wie das des Arbeiters, kann das Einkommen des Arbeiters wachsen. In Estland z.B. sind seit Beginn der Neunziger Jahre die Einkommen um 100 % gestiegen. Ausserdem stellt sich natürlich die Frage nach dem Grund für dieses unterschiedlichen Wachstum. Liegt er in den Folgen der weltwirtschaftlichen Verflechtung begründet oder in der Tatsache, dass das Fehlen eines freiheitlichen Rechtsstaates in diesen Ländern Korruption und Unterdrückung möglich macht. Und wie ist es mit dem Einfluss von Ländern, die ihr Einkommenswachstum und die Einbindung in die Weltwirtschaft lediglich der Förderung und des Importes von Rohstoffen verdanken. Wie Russland oder Saudi-Arabien zeigen, ist dies gewiss einer gleichmässigen Einkommensverteilung so wenig förderlich, wie der Einhaltung der Menschenrechte.

Auch die absolute Höhe der Arbeitslosigkeit oder deren prozentuales Wachstum sagt letztlich nichts über den Erfolg oder Misserfolg der „Globalisierung“ aus. Großbritannien etwa hat Mitte der Achtziger Jahre den Zusammenbruch der bis dahin subventionierten Kohle- und Stahlindustrie und den Untergang der eigenen Automobilindustrie hingenommen, was spontan zu erheblichen Zunahmen der Erwerbslosenquote führte. Am Ende der Regentschaft Margret Thatchers herrschte dann annähernd Vollbeschäftigung, weil nunmehr Toyota und Honda England, Schottland und Wales als idealen Produktionsstandort entdeckten und sich neue, zukunftsweisende Industrien entwickelten.

Blickt man auf Osteuropa, Südostasien oder Südamerika, so bietet sich ein anderes Bild an. In Ländern, in denen aufgrund der Leistung des eigenen Volkes (nicht aufgrund des Exportes von Rohstoffen) die Einbindung in die Weltwirtschaft wächst, wachsen strukturell auch die Freiheit und die Menschenrechte. Diese Entscheidungsfreiheit ist deshalb nötig, weil nur sie die ausreichende Flexibilität ermöglicht, um an entsprechenden Prozessen schnell genug teilzunehmen, eben zu entscheiden welche Güter hergestellt werden sollen und für welchen Preis sie an welchen Abnehmer geliefert werden sollen. Demokratie ist in solchen Rechtsstaaten eine Folge der so gewonnenen Freiheit, weil immer mehr Menschen, die über ihr eigenes Leben und wirtschaftliche Güter frei verfügen dürfen, auf Dauer an politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen teilnehmen wollen.

Vor zwanzig Jahren war etwa die Landkarte Südamerikas voll von Diktaturen. Heute ist lediglich Kuba übrig geblieben. Vor vierzig Jahren tobte in Südostasien der Vietnamkrieg und die kommunistischen Vietkong (?) veranstalteten unter der eigenen Bevölkerung Völkermord und Massaker. Heute beginnen diese Länder sich in die Weltwirtschaft zu integrieren.

Freiheit und Wohlstand wachsen nicht linear auf der Welt. Sondern in Wellenbewegungen, Auf und Ab, Vor und zurück. Ihre Grundlagen sind nicht zuvorderst materieller Wohlstand und eine wie immer geartete ideale Einkommensverteilung. Sondern der Zugang zu Wissen und Bildung, um die Qualität der eigenen Leistung steigern zu können und in der Lage zu sein, die Richtigkeit von Entscheidungen beurteilen zu können. „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus einer selbst verschuldeten Unmündigkeit“, wie Kant einmal schrieb. Das wird im besten Hayekschen Sinne ein Prozess zur Entwicklung einer spontanen Ordnung.

So wie die drohende Völkerbewegung von Ost nach West am Ende des letzten Jahrhunderts West-Europa zwang, seine Grenzen für die Güter und Waren des Ostens zu öffnen, wird die drohende Völkerwanderung aus Afrika uns zwingen, auch den verbliebenen isolierten Kontinent an der wirtschaftlichen Verflechtung der Welt teilhaben zu lassen. So werden wir Agrarerzeugnisse aus diesen fruchtbaren, von der Sonne verwöhnten Regionen beziehen, statt Bergbauern zu subventionieren und unseren subventionierten Weizen beim Erscheinen der durch uns mit verursachten Hungersnot zu schicken.

Die Diktaturen haben deshalb auf Dauer keine Chance. Auch der Versuch, ihren Machtanspruch mit der islamischen Religion zu verbrämen, wird auf Dauer nicht fruchten, weil auch diese Religion ihre Aufklärer finden wird, die den Menschen erlauben werden, sich zu bilden.

Deshalb irrt Stiglitz auch, wenn er eine Zunahme der Entwicklungshilfe als Möglichkeit sieht, den Wohlstand in solchen Regionen anzukurbeln. Weil er damit nur die Ungleichheit der Einkommen fördert und nicht das wirtschaftliche Wachstum. Die palästinensische Selbstverwaltungsbehörde erhält von der europäischen Union seit 1995 Milliardenbeträge, mit der sie sich deFacto vollständig finanziert, wie deutlich wurde, als die EU die Zahlungen stoppte, weil die neue HAMAS Regierung Israel nicht anerkennen wollte. Diese Finanzierung hat die Palästinenser vielleicht am Leben erhalten. Mehr nicht. Aber sie hat der Frau von Yassir Arafat ebenso lange erlaubt, als Dauergast in einer Suite im Pariser Luxushotel Ritz zu logieren, weil ihr die steten Stromausfälle nicht zuzumuten waren.

Nein. Nicht die mangelnde Demokratie in den internationalen Organisationen und zu geringe Entwicklungshilfe sind schuld daran, dass immer noch zu wenig Länder insbesondere des Nahen Ostens und Afrikas wirksam in die Weltwirtschaft integriert sind. Sondern die mit dieser Entwicklungshilfe finanzierte Korruption, die mit dieser Entwicklungshilfe finanzierten Diktaturen, die Subventionen der Güter der Industriestaaten und die Zollbarrieren, die uns auf Dauer nur die Flüchtlinge bringen und nicht ihre Güter.

Der Spiegel berichtete unlängst von einem Afrikaner, der nach einer jahrelangen Odysee durch Afrika nach Europa gelangte und nun in Spanien als legaler Einwanderer seit mehr als 10 Jahre getrennt von seiner Frau und seinen mittlerweile erwachsenen Kindern lebt, die er in dieser Zeit nur einmal durch ein Gitter zu sehen bekam, weil er gezwungen war, hier die 200 € pro Monat zu verdienen, die er dort nicht erwirtschaften konnte, um seine Familie am Leben zu erhalten und das Studium seiner Kinder zu finanzieren. 200 € !

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