Friday, September 22, 2006

Tragödie Transrapid

Menschliches Versagen

23 Menschen starben, als der Transrapid auf der Versuchsbahn im Emsland gegen ein Reinigungsfahrzeug prallte. Der tonnenschwere Laster wurde in die Luft geschleudert und rasierte das Dach und die Köpfe förmlich ab. Eine Tragödie, die auf menschliches Versagen zurückzuführen war.

Menschliches Versagen ist auch im Spiel, wenn man darüber nachdenkt, warum die Magnetbahn in Lathen unter Ausschluß der Öffentlichkeit immer noch ihre Bahnen zog. Das Sicherheitskonzept sei veraltet, hört man über die mehr als 20 Jahre alte Anlage, auf der bereits 1988 der Testbetrieb aufgenommen wurde.

Versagt hat die Politik, in dem sie diese Versuchsanlage durch mehr als nur eine Referenzstrecke überflüssig gemacht hatte. Als man seinerzeit nämlich das Provisorium in Betrieb nahm, rechnete niemand damit, dass im Jahr 2006 der Testbetrieb immer noch im Gange sein würde.

Versagt haben so ziemlich alle, die mit der Angelegenheit zu tun hatten. Politik und Wirtschaft schoben sich das wirtschaftliche Risiko gegenseitig zu und der auserwählte Betreiber, die Deutsche Bahn AG war an keinem Wettbewerber für ihr ICE-Netz, das die Innovationskraft der Traditionslokführer bereits auf äußerte überfordert hat, interessiert. Und die Medien waren skeptisch in einem Land, dessen Gesellschaft den Begriff Technikfolgenabschätzung zur Mentalität erhoben hat.

Vom Panzerbauer zum Technologiekonzern

Dieter Spethmann, Vorstandsvorsitzender der Thyssen AG meinte das Potential der Magnetbahntechnik zu erkennen und holte das Team um den Ingenieur Raschbichler vom Panzer- und Lokomotivenbauer Krauss-Maffai zum Stahlunternehmen. Und er setzte sich politisch für die Technologie ein, von der er meinte, dass der Staat ihre Entwicklung finanzieren sollte.

Projekt Deutsche Einheit

Die erste Magnetbahn sollte durch dicht besiedeltes Gebiet die Flughäfen Düsseldorf und Köln verbinden. Als dann die Mauer fiel, hatte man die richtige Idee, über weite Strecke und flaches Land Berlin und Hamburg zu verbinden und so aus einer reichen und einer armen Stadt eine Metropolregion machen. Bei geschickter Verbindung hätte der Flughafen Parchim, eine riesige ehemalige Militärbasis, ein neues Logistik-Pariadies werden können, wenn man nachts die Magnetbahn genutzt hätte, um Lebensmittel und Schnittblumen in die Mitte der Großstädte zu katapultieren.


Wirtschaftspolitische Fehlkonstruktion

Die Magnetbahn zwischen Berlin und Hamburg ist nicht an der Technologie gescheitert. Aber an ihrem Preis. Die Politik machte den Bock zum Gärtner, in dem sie die sogenannte Magnetbahnplanungsgesellschaft mit der Planung und dem Planfeststellungsverfahren beauftragte. Gesellschafter dieser Gesellschaft waren die Unternehmen, die die Bahn später bauen wollen und nicht ein unabhängiges Ingenieurbüro. Die suchten die Lösungen aus, die nicht am preiswertesten waren, sondern von Thyssen oder Siemens im Angebot vorgehalten wurden. Dies versetzte die beiden Planungsgesellschafter in die Lage zur freien Preisgestaltung ihres späteren Angebots. Und dies führte natürlich zur Kostenexplosion.

Solange die Regierung Kohl an der Macht war, war der Bau des Transrapid politischer Wille und die Industrie meinte, jeden Preis durchsetzen zu können. Für Rot-Grün waren die ständigen Kostensteigerungen ein Geschenk.

Hinzu kamen die Schikanen des Eisenbahnbundesamtes. Die kilometerlangen Träger der Magnetbahn sollten nach seinem Willen im Nano-Bereich gefertigt werden, damit die Magnetbahn ungefedert mit 400 km/h über die Strecke rauschen kann. Diese Kostenexplosion könnte leicht beseitigt werden, wenn die Norm für gefederte Fahrzeuge gelten würden, die für die Praxis vorgesehen waren.

Dann kam der Kurzzeitverkehrsminister Franz Müntefering auf den Plan und schlug vor, die Strecke doch einfach eingleisig zu bauen. Und dann stand schnell fest, dass die nicht halb so teuer sein würde, wie die zweigleisige.

Der wesentliche Vorteil kurzer Taktzeiten wäre damit auch nicht zu halten gewesen. Denn es ist nicht nur fast gleich teuer, in einer Stunde 4 kurze Züge auf die Strecke zu schicken wie einen langen. Sondern die Weichen und Ausweichstellen und die Auslegung von Schiene und Motor in beide Richtungen hätten die Kostenvorteile gleich aufgefressen.

Auch die Deutsche Bahn hatte den Börsengang im Blick. Und der Wert der eigenen Schnellbahnstrecken wäre doch erheblich gemindert worden, wenn es eine bessere, schnellere Alternative gegeben hätte. So verwies man auf das Betriebsrisiko das man nicht übernehmen wollte.

Ein unabhängiges Planungsbüro, Augenmass bei den technischen Normen und eine europaweite Ausschreibung des Betriebs hätten schon Berlin-Hamburg zum Schweben gebracht.

Kaum zu glauben, dass die Bayerische Staatsregierung nichts daraus gelernt hat und die selben Fehler noch macht.

So hat man die Bahn unter dem Namen Transrapid, dessen Rechte der Möllemann-Intimus Tönnies innehat, auf dessen Rechner ein berüchtigter Flyer enstand, weiter im Emsland ihre Kreise ziehen lassen. Mit fatalen Folgen.

Thursday, September 14, 2006

Jan Ullrichs Grundversorgung

Stasi-Hagen, Doping-Ulle und die ARD

Vor einigen Tagen kam heraus, dass Jan Ulrich sein privates Doping bequem aus den Mitteln der Gebühreneinzugszentrale finanzieren konnte. Für Selbstverständlichkeiten wurde dem Tour de France Sieger von 1997 alljährlich eine Summe ausgekehrt, von der eine kleine Gemeinde ihre Hartz IV Empfänger versorgen kann, die allerdings von der demokratischen Pflicht der Rundfunkgebühren ausgeschlossen blieben. Rund 200.000 € bekam der Rennradler dafür, dass er der ARD nach Sieg oder Niederlage zu einem Interview zur Verfügung stand. Ein Interview, auf das er zur Steigerung des eigenen Marktwertes angewiesen war. Begründet wurde der Vertragsabschluss mit dem Argument, dass man an Ulrich sonst nicht "herangekommen" sei, so die Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten, in jener Zeit gleichzeitig Hauptsponsor des Teams Telekom, dessen Sport-Koordinator gegen gesonderte Honorierung gerne Veranstaltungen dieses Teams "moderierte" über das er mit der hoffentlich gebührenden Neutralität bei allerlei Live-Übertragungen berichtete.

Nochmal zum Mitschreiben: Die ARD sponsorte das Team Telekom und dessen Kapitän Jan Ullrich. Der Koordinator Sport dieser Arbeitsgemeinschaft erhielt seinerseits wiederum Honorare für Moderationsleistungen. Und er berichtete im Rahmen der Grundversorgung und journalistischen Sorgfaltspflicht über das Abschneiden dieses Teams bei diversen Radveranstalten.

Despektierlich wird die Angelegenheit vor dem Hintergrund, dass die ARD vermutlich (mindestens aber gemeinsam mit dem ZDF) der grösste Kunde der Deutschen Telekom ist. Niemand braucht mehr Satelliten-Strecken, mehr Standleitungen und mehr Datenvolumen als die Fernsehanstalten. Unter diesem Gesichtspunkt wird die ganze Angelegenheit nicht mehr nur despektierlich sondern bekommt den Beigeschmack von Korruption.


Welchen Niederschlag finden kritische Stimmen innerhalb der ARD, wenn sie nicht nur über Doping-Ulle, sondern über Immobilienspekulationen oder das neue Glasfasernetz der Telekom berichten. Nicht weil diese im Gegenzug wiederum zu den grössten Werbekunden der ARD gehört. Sondern weil die finanziellen Beziehungen zwischen beiden so intransparent sind und Zweifel an Seriosität und Unabhängigkeit aufkommen lassen. Schliesslich hat der Haupteigentümer der Deutschen Telekom, die Bundesrepublik Deutschland ein Interesse daran, dass die negative Presse keinen Ausschlag auf den Börsenkurs hat, sonst sinkt der mögliche Verkaufspreis.

Hagen Boßdorf, der nette Milchbubi vom ORB, verantwortet als Koordinator das Geschäftsfeld Radsport. Er hat bei seinem Heimatsender einen unliebsamen Kollegen abgesetzt, der sich allzu kritisch mit dem Thema Doping im Schwimmsport beschäftigte, und hat trotz aller Zweifel, die eingedenk dieses Filzes an ihm aufkommen, eine Vertragsverlängerung um 6 Jahre erhalten. Ein Vertrag, den der frühere WDR-Intendant und Chef des Bonner Büros Friedrich Nowotny schlicht sittenwidrig nennt.

Ein Mann übrigens, gegen den die Staatsanwaltschaft in anderer Sache ermittelt. Weil es eine Akte bei der Birthler Behörde gibt, die ihn als inoffiziellen Mitarbeiter ausweist und die nahelegt, dass der Mann gelogen hat. Er hatte nämlich an Eidesstatt anderes erwähnt. Ein Journalist, der im Verdacht steht, zu lügen, der fragwürdige Verträge, die den Dunst der Korruption verstrahlen, verantwortet und selbst keine Interessenkollision zwischen seinen privaten Aufträgen und seinem Beruf erkennt.

Die ARD diskreditiert sich selbst. Sie finanziert sich mehrheitlich aus Zwangsgeldern, die sie von den Eigentümern von Rundfunkgeräten, Fernsehgeräten und demnächst auch Mobiltelefonen und Personal Computern erhält, obwohl diese den fürsorglichen Anspruch auf "Grundversorgung" von ihr gar nicht erfüllt sehen wollen. Sie hat für den Umgang mit diesen Geldern eine besondere Treuepflicht und für die Auswahl ihres Personals müsste sie besonders strenge Maßstäbe anlegen.

Der Skandal wird die Zweifel weiter nähren, dass die Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die sogenannten relevanten gesellschaftlichen Kräfte (Landfrauen, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien) im Fernsehrat funktioniert. Rat heißt Sowjet. Und so funktioniert er auch. Auf dieser Seite findet sich die Kritik deshalb, weil es um die Frage geht, ob unter solchen Umständen noch die Pressefreiheit gewahrt ist.

Tuesday, September 05, 2006

Das bisschen Haushalt !

Mit einer launigen Rede hat der Bundesfinanzminister heute den Bundeshaushalt 2007 eingereicht. Es ist das erste Recht des Parlaments, diesen Haushalt zu in Frage zu stellen, zu diskutieren und letztendlich zu beschliessen.

Dieses hohe Recht haben sich die Bürger gegen die Fürsten, Könige und Kaiser erkämpft. Die Budgethoheit war nicht länger Sache der Potentaten, sondern der Bürger. So wurde ihren Möglichkeiten Armeen aufzustellen, Schlösser zu bauen, Kriege zu führen und Steuern zu erheben Grenzen gesetzt. Die Beamten und Soldaten hatten ihren Diensteid auf den König geschworen. Ihr Gehalt musste aber vom Parlament genehmigt werden.

Heute ist der Souverän das Volk. Und das Parlament wählt die Regierung. Zwar hat die Opposition im Prozess der parlamentarischen Beratung die Möglichkeit, Schwächen aufzudecken und die Regierung gegenüber der Öffentlichkeit bloß zu stellen. An den Mehrheitsverhältnissen und auch an der Wahrscheinlichkeit, dass das Parlament dem Haushalt zustimmt, ändert das nichts.

Die Kameralistik (das Haushaltsrecht) ist kompliziert, langatmig und inflexibel. Sie weist gegenüber der kaufmännischen Buchführung massive Schwächen auf und ist im wahrsten Sinne eine Kopfgeburt des 19. Jahrhunderts. Sie hat geringen Informationswert, denn sie beschreibt nur die Einnahmen und Ausgaben eines Jahres, nicht aber ob das Vermögen eines Volkes durch Regierungshandeln zu- oder abgenommen hat.

50 % des Bruttosozialproduktes werden mit Planungstechniken der Vergangenheit verwaltet. Dieser Prozeß beginnt am ersten Arbeitstag des Jahres und plant bis zum 31. Dezember des Folgejahres, also über 23 Monate und rund 29 Tage. Wenn in einer Schule ein simpler Margen-Darm-Virus ausbricht, kann der budgetierte Jahresvorrat an Toilettenpapier schon vor den Osterferien zur Neige gehen.

Wenn sich Rahmenbedingungen verändern, Einnahmen zunehmen, Ausgaben in die Höhe wachsen, bleibt als höchstes Mittel der Reaktion die Haushaltssperre. Die Steuerschätzung vom November 2003, zwei Monate vor Ende des Jahres, differierte um sechs Milliarden Euro vom tatsächlichen Ergebnis.

Das Haushaltsrecht ist ein goldenes Kalb. Aber es gäbe auch Alternativen. Die Einführung der kaufmännischen Buchhaltung würde gleich zwei Chancen für die Parlamentarier bieten: Natürl kann der Staat auch eine Planbilanz seiner Einnahmen und Ausgaben vorlegen und so seine politischen Ziele dokumentieren. Aber neben der Diskussion eines Planes könnte das Parlament wie eine Hauptversammlung einer Kapitalgesellschaft anhand einer im Nachhinein erstellten Bilanz den Erfolg der Regierung diskutieren. Die müsste das Ergebnis ihres Handelns mit der Planbilanz vergleichen und so belegen, dass die gemachten Einschätzungen, Planungen und Ziele erreicht worden sind. Ein Geschäftsbericht, den die Bürger jährlich in ihren Briefkasten fänden, würde zusätzliche Transparanz schaffen.

Es gibt also Alternativen zu diesem alljährlichen Ritual.